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Obereigentum / Untereigentum dominium directum; remainder / dominum utile Obereigentum ist ein Begriff aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Er bezeichnet ein Herrschaftsverhältnis über Landbesitz durch den Adel, Kirchen und Klöster. Das Untereigentum war gegenüber dem Obereigentum erbzinsbelastet. Diese Eigentumsformen ließen einen Grundstücksmarkt kaum aufkommen. In den Städten überließen freie Grundeigentümer parzellierte Teile Ihres Grundbesitzes an bauwillige Bürger in Form der so genannten Grundstücksleihe. Grundstücksmärkte entstanden erst, als das Recht auf Privateigentum an Grund und Boden entstand und in den Verfassungen verankert wurde. In Frankreich waren dies die Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen vom 28. August 1789, im (britischen) Amerika die Virginia Bill of Rights aus dem Jahre 1776. In Preußen wurde das Recht auf Privateigentum an Grund und Boden am 31. Januar 1850 in die Verfassung aufgenommen. Durch das Regulierungs- und Ablösegesetz vom 2. März 1850 wurde in Preußen zudem das Obereigentum abgeschafft.

Nach Schaffung der Eigentums an Grund und Boden kam es zu Bodenspekulationen von Bodenhändlern, die auch Grund- und Boden auf Vorrat erwarben und, sobald infolge eines enormen Städtewachstums die Nachfrage stark anstieg, ihre Grundstücke mit hohem Gewinn wieder veräußerten. In der Folge entstand die Bodenreformbewegung in Amerika, angestoßen durch Henry George (1839 – 1897), die in Deutschland mit großer Zustimmung übernommen wurde. Vertreter der Ideen von George waren Michael Flürscheim (1822 – 1912), Silvio Gsell (1806 – 1930), und Adolf Damaschke (1865 – 1935).

Nach dem 2. Weltkrieg wurden in der Bundesrepublik Deutschland gesetzliche Rahmenbedingungen (Bundesbaugesetz und Städtebauförderungsgesetz, später zusammengefasst im Baugesetzbuch) für die Baulandproduktion geschaffen. In der DDR wurde das Bodeneigentum nach dem Vorbild der Sowjetunion in vier Eigentumsarten klassifiziert, nämlich in Volkseigentum, genossenschaftliches Eigentum, kapitalistisches und privates Eigentum. Die Unterscheidung in Ober- und Untereigentum wurde faktisch wiederhergestellt, wobei das verlustreiche kapitalistische Eigentum geduldet wurde. Die Bewirtschaftungskosten überstiegen regelmäßig die festgeschriebenen Mieten. Mehrere Versuche, zu einem ökonomisch sinnvollen Bodeneigentumssystem zu kommen, scheiterten.

In den 70er Jahres des vorigen Jahrhunderts geriet das Privateigentum an Grund und Boden wieder in die Kritik, weil es zu leistungslosen Gewinnen durch Wertzuwachs führte. Wurde aus Ackerland durch Bebauungspläne Bauland, gab es speziell in den Bauboom-Jahren auch unter Berücksichtigung der Kosten für die Bodenordnung und Baulanderschließung Gewinne, die, weil sie ohne Gegenleistung des Bodeneigentümers entstanden, nicht akzeptiert wurden. Man forderte eine Wertzuwachssteuer. Diese wurde vom Gesetzgeber verwirklicht: Nach § 23 Einkommenssteuergesetz (Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte) ist der Verkauf von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten als Sonstiges Einkommen (§ 22 Nr. 2 EStG) zu versteuern, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Von der Regelung ausgenommen sind Immobilien, die im Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Fertigstellung und der Veräußerung nur selbst bewohnt wurden oder bei denen dies zumindest im Jahr des Verkaufs und den beiden Jahren davor der Fall war. Hier zeigt sich, dass der Gesetzgeber die Eigennutzung von Grund und Boden gegenüber der reinen Gewinnerzielung durch Wertzuwachs privilegieren will.